1/4 Mitternachtsblau von Falk Osterloh Veröffentlicht 2008 in der Anthologie „Wehre dich nicht“ im quartus Verlag Mein Bett ist neunzig Zentimeter breit. Wenn zwei Menschen darin liegen, zwei  Körper, dann wird es eng. Dann wird es heiß. Dann liegt Haut auf Haut und ein  feiner Schweißfilm bildet sich dazwischen. Dieser Sommer ist warm. Am Morgen sehe ich die Sonne, wie sie vor meinem Fenster vorüberzieht. Sie ist hellgelb und wenn man genau hinsieht, kann man die Flammen  sehen, die auf ihrer Oberfläche brennen. Im Sommer steht das Fenster offen und  neben den Geräuschen anfahrender, abbiegender, abbremsender Autos, neben dem  übermütigen Lachen der Kinder, dem unsachlichen Gebell vorüber springender  Hunde, dringt die feuchtwarme Luft in mein Zimmer hinein. Ich liege auf dem Bett,  meine Beine, meine Arme sind ausgestreckt. Eine Decke braucht man nicht. Selbst  ein dünnes Laken wäre Fehl am Platz, würde es doch den heißen Tagen spotten und  den heißen Nächten. Ein Hemd, eine Hose braucht man nicht. Warme Luft auf  nackter Haut, auf geöffneten Poren ist schön, kein toter Stoff soll sich  dazwischendrängen. Wenn es Abend wird über der Stadt, das Lachen der Kinder allmählich verstummt  und geheimnisvolles Zwielicht zwischen die Häuserschluchten fließt, dann öffnet sich