Jetzt konnte Anna den Hafen sehen. Nur noch wenige Fischerboote waren auf See gefahren. Die anderen wurden nur noch selten gebraucht. Das Wasser schlägt gegen ihre alten Planken und Grünspan kriecht das feuchte Holz empor. Auch das Boot ihres Vaters lag dort. Anna erreichte den Strand. Der Wind wehte durch ihre Haare und er roch nach Weite und Fernweh. Sie schloss für einen Moment ihre Augen und fühlte ganz tief das Leben und den Wunsch nach Freiheit. Anna lief hinüber zu den großen Steinen. Die mächtigen Wellen klatschten gegen ihre glänzenden, zerfurchten Gesichter, Anna kletterte hinauf, wusste genau, wohin sie treten musste. So oft ging sie diesen Weg, um einen Moment für sich zu sein, einen kostbaren Moment, bevor die Aufgaben des Lebens sie umschlossen und fortdrängten aus ihrem innersten Selbst. Hinter den Steinen war eine kleine Bucht. Man erreichte sie nur, wenn man den richtigen Weg kannte. Die Touristen kamen nicht hierher und auch die Dorfbewohner nahmen sich nicht die Zeit dafür. Anna kletterte die schwarzen Steine hinab, sprang in den Sand, der hier stets wärmer war und noch weicher. Schon wollte sie sich in die Mitte der kleinen Bucht legen, die nackten Füße in das Meer halten und sie von den ewigen Wellen umspielen lassen. Doch da sah sie etwas, das sie hier noch nie gesehen hatte. Etwas Dunkles lag dort bei den Felsen, wurde vom sanften Schein des Morgens berührt. Sie lief hinüber. Gestern war es noch nicht hier gewesen. Sie sah genauer hin. Jetzt erkannte sie es. Es war ein Paar Schuhe, ein Paar hochhackiger Damenschuhe. Und sie waren rot. 4/12