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so viel. Und Oma Ilse würde es überhaupt nicht merken. Im Altenheim sind keine
Vögel erlaubt. Ich stehe auf, räume die Teller ab und packe meine Tasche. Hier läuft
der Körper wieder auf Autopilot. Zähne putzen, Handy in die Tasche, Licht aus,
Schlüssel nicht vergessen. Ich gehe durch das Treppenhaus, es ist lange nicht gewischt
worden, der Hausmeister ist noch in seiner Kur. Es riecht wie im Puff und die warme
Luft des gestrigen Tages steht noch zwischen den gewellten Tapeten. Tapeten im
Treppenhaus. Entzückend. Ich trete vor die Tür, gehe die Straße entlang. Auch hier
steht die Luft, seit Tagen gab es keinen frischen Wind in den Straßen. Ich habe wieder
diese Vision: Schweißflecken ab 10:00. Und mein Deo versagt ab 12:00. Der
Schweißgeruch vermischt sich mit dem Bratfett aus der Kantine. Ich reiße das Fenster
auf, ignoriere den Straßenlärm und die Abgase. Doch die Luft steht draußen. Die Luft
steht drinnen.
Leute begegnen mir auf der Straße, doch ich sehe sie nicht. Meine Gedanken sind
wieder bei der Präsentation. Ich lege mir Worte zurecht, versuche, einen witzigen
Spruch mit einzubauen. Doch mir fällt keiner ein. Unternehmenswachstum und Witze
passen nicht zusammen. Zumindest nicht in diesen Zeiten. Die Zeiten sind schlecht.
Wir werden immer kranker und immer älter. Wer soll das bezahlen? Ich frage dich, wer
soll das bezahlen? Ich sehe das Gesicht meines Vaters vor mir. Sei froh, dass du einen
Job gefunden hast. Eine vernünftige Arbeit. Der Sohn vom Lüders, der sucht immer